Circle (2015)

Silhouette Tales schleifen ihre zerklüfteten Songs ab und verpassen sich versuchsweise ein ausgeglicheneres Gemüt. Die neue EP «Circle» ist eine unerwartete Zwischenrunde, die geschmeidige musikalische Perlen hervorbringt.

Nach dem vielbeachteten Album «Traces» (SRF3 Best Talent, SRF3 Airplay) wollten Silhouette Tales etwas verändern. Frontfrau Irene Althaus Würsch: «Wir wollten einen etwas anderen Sound ausprobieren. Es ist vielleicht so, wie wenn man seine Spuren aus der Ferne betrachten will. Dazu muss man erst aus den eigenen Fussstapfen heraustreten.»

Dafür ersetzten sie kurzum ihr charaktergebendes Cello mit einer Gitarre, die aus einem Spaghettiwestern stammen könnte. Den fünf neuen Songs gaben sie einfachere Strukturen und durchgängige Klänge. Was Silhouette Tales beibehalten haben, sind die tief sitzende Melancholie und Irene Althaus Würschs klirrende Stimme.

«Remember Your Face» oder das kraftvolle «Absolute Silence» klingen unverkennbar nach Silhouette Tales. «Break of Dawn» hingegen überrascht mit einem ungewöhnlich luftigen Refrain und »Turning in Circles» könnte aus einem holpernden Planwagen herausschallen.

Risse und Furchen findet man in ihrer Musik noch immer, aber auf «Circle» sind diese kunstvoll abgerundet.


Traces (2013)

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Foto: Marco Sieber

Traces" klingt, als hätte jemand das Leben nördlich des Polarkreises in Lieder gegossen – endlose Weiten, tragende Klänge und eine Stimme wie gefrorener Tau. Kaum zu glauben, dass diese Musik am beschaulichen Vierwaldstättersee entstanden ist.

Irene Würsch (git/voc), aus deren Feder die Lieder stammen, ist in Luzern aufgewachsen. Vielleicht waren die engen zentralschweizerischen Platzverhältnisse gerade der Grund, warum es sie immer in den Norden zog. "Mich hat die Kargheit der Landschaften in Skandinavien, Schottland oder Island immer fasziniert. Die Natur besitzt dort oben eine andere Kraft, das Leben eine andere Dringlichkeit." Seither trägt Würsch die Spuren des Nordens mit sich herum und lässt sie zu Musik werden – "Traces".

"Traces" ist das Resultat des Förderpreises "Tankstelle Musik", den Silhouette Tales 2011 gewannen. Als Belohnung winkte die Aufnahme einer EP mit einem Produzenten nach Wahl. Die Band hatte aber bereits genug Songmaterial angehäuft, dass sie sich  entschied, ein ganzes Album einzuspielen. Bei der Produzentenrolle fiel die Wahl auf Luk Zimmermann (Lunik, Anna Kaenzig). "Uns schwebte ein filigraner Sound vor, der den Pop aber nicht ganz aus den Augen verliert. Dafür schien Luk die natürliche Wahl."

Zusammen mit Co-Produzent Cedric Habermacher (Made in Mind, Huck Finn) entstand so ein Album, dem das Kunststück gelingt, zerbrechliche Musik in eingängige Melodien zu hüllen. An manchen Stellen hört man die Einflüsse von Portishead oder Archive, an anderen die von Radiohead oder Björk. Durch alle Songs hindurch zieht sich wie ein roter Faden die Melancholie, die mal nur ein leiser Hauch ist ("I am here"), mal zu orchestraler Grösse anschwillt ("Once"), oder mal ins Schlingern gerät wie der Gang einer betrunkenen Hafendirne ("Jukebox").

Textlich handeln die Songs von Beziehungen oder von den Erinnerungen daran. Das kann sich anfühlen wie ein befreiender Flug über verschneite Ebenen ("Traces") oder wie Tauwetter, umspielt von einer schelmischen Mandoline ("Temptation"). Am wuchtigsten klingen Silhouette Tales im aufpeitschenden "Empty Buildings" oder in "They will listen", einem atemberaubenden Steigerungslauf, der irgendwo zwischen schierer Verzweiflung und unbändigem Lebenswillen kulminiert.

Wenn der letzte Song des Albums verklungen ist, breitet sich eine Klarheit aus, wie man sie sonst nur in der klirrenden Kälte eines skandinavischen Winters findet. Die Naturgewalten des Nordens haben sich nicht nur in der Musik von "Traces" kristallisiert. Sie hinterlassen auch beim Hörer ihre Spuren.